Landwirte reden Klartext
  • „Bio ist kein Allheilmittel“ Udo Langenbacher, Milchviehhalter und Ackerbauer

     

Einfach, grundsolide und gut. Mit sehr geringem Personaleinsatz bewirtschaftet Udo Langenbacher einen Milchviehhof mit 85 Kühen. Das funktioniert vor allem deshalb, weil er auf seinen Betrieb nahe der Grenze zur Schweiz nicht auf Hochleistung ausgerichtet hat.

Hauptsache einfach Landwirtschaft funktioniert nicht ohne Plan

 

 „Landwirt ist man nicht aus finanziellen Gründen.“ Das sagt Udo Langenbacher, der nahe der Schweizer Grenze einen Milchviehhof samt 150 Hektar Grün- und Ackerland bewirtschaftet. Seine Auffassung vom Dasein als Bauer beschreibt er mit Begriffen wie Leidenschaft und Begeisterung. Seine Kühe betrachtet er als Teil der Familie. Sie täglich zu versorgen ist für den Südbadener keine lästige Pflicht, sondern schlicht selbstverständlich. „Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen“, sagt er. Trotzdem: Von Überzeugung allein, kann kein Landwirt leben. „Es muss Geld bringen“, betont auch Udo Langenbacher. Auch deshalb hat er sich entschlossen, die Bullenmast aufzugeben, die seine Familie aufgebaut hat. „Wir haben unseren Betrieb vor etwa zehn Jahren klassisch ausgesiedelt“, erzählt der Landwirt. An neuer Wirkungsstätte samt dem eigens errichteten, modernen Kuhstall wird seitdem auf Milcherzeugung gesetzt. Zurück blieben die Althofstelle und einige Bullen. Eine Weile lang fuhr Udo Langenbacher zweigleisig und mästete weiter. Doch die wenigen Tiere brachten kaum Ertrag, machten aber viel Arbeit – schließlich mussten sie gehen. „Wenn ich auf Mast setze, brauche ich einen Stall für 300 Bullen.“ So läuft es oft auf dem Land – die Erzeugerpreise sind so niedrig, dass die Betriebe notgedrungen immer häufiger ihr Glück in der Masse suchen. „Ich will Landwirt sein, aber wenn, dann richtig“, so Udo Langenbacher.


Deshalb konzentriert er sich auf seine 85 Milchkühe samt Nachzucht sowie auf den Ackerbau. Seinen Betrieb führt der Landwirt aber ganz bewusst nach einem simplen Prinzip. Alles muss einfach sein – denn nur so kann er die vielen anfallenden Aufgaben bewältigen. Als Betriebsleiter trägt er die Hauptlast der Arbeit, unterstützt von seiner Familie und von Aushilfen. Zudem bildet Udo Langenbacher regelmäßig Nachwuchskräfte aus. „Wir machen hier keine Extras, um besonders gute Ergebnisse zu erzielen.“ Entscheidend ist für den Landwirt, dass sein Betrieb einfach und solide funktioniert. Das ist ihm wichtiger als stetige Optimierung durch viele zusätzliche Kleinigkeiten, die präzise überwacht werden müssen – also Mehrarbeit verursachen. Natürlich könnte er seine Kühe so füttern, dass sie 33 Liter Milch geben – er will es aber nicht. „Bei uns bekommt jedes Tier die gleiche Ration.“ Sogenannte Turbo-Kühe stehen woanders. Und auch das Besamen der Kühe und Rinder verursacht auf dem Hof von Udo Langenbacher keine zusätzliche Arbeit. Den Job übernehmen zuverlässig zwei Bullen, die mit der Herde laufen. Um Brunstkontrolle muss sich der Landwirt nicht kümmern. Auch das erledigen die Stiere. „Sie übersehen keine einzige Kuh und damit nehmen sie mir Aufgaben ab“, sagt Milchviehhalter. Solche Entlastung gehört ebenso wie das Vermeiden von Mehrarbeit zu den einfachen Spielregeln, nach denen der Hof Langenbacher funktioniert. Denn das versetzt den Betrieb in die Lage, mit relativ wenig Personal einen großen Produktionsumfang zu bewältigen. 

Aus dem Ruder Zwischen Bauern und Verbrauchern stimmt's nicht mehr

 

Wie ihre Lebensmittel entstehen, wissen viele Verbraucher nicht oder nicht mehr. Diese Ahnungslosigkeit führt zu einer verzerrten Wahrnehmung der Landwirtschaft. „Vielen Leuten gefällt das Bild vom Bauern, der noch wie früher auf dem Schemel sitzt und seine drei glücklichen Kühe mit den Händen melkt“, sagt Udo Langenbacher. Mit solchen Darstellungen vom scheinbar heilen Landleben arbeitet die Werbung und erreicht die Menschen damit. Dabei werde aber ausgeblendet, dass Milchkühe ihr Dasein früher meistens angebunden in engen, dunklen Ställen fristen mussten, findet der Tierhalter aus dem Südbadischen. Er bietet der Herde in seinem Stall deutlich angenehmere Bedingungen: Viel Bewegungsfreiheit, frische Luft, Licht, ausreichend Liegeboxen, Auslauf ins Freie und jederzeit Zugang zu Wasser und Nahrung. Und: „Mein Stall ist für jeden geöffnet, ich habe dort nichts zu verbergen“, betont der Landwirt. Udo Langenbacher ist der Meinung, dass Lebensmitteln in Deutschland zu wenig Wertschätzung entgegengebracht wird. „Die Leute schätzen Lifestyle und Konsum und sind bereit, dafür Geld auszugeben.“


Gleichzeitig werde erwartet, dass Nahrungsmittel grundsätzlich billig sind. Als Beispiel vergleicht der Milchviehhalter eine Maß Bier auf dem Oktoberfest mit einem Becher Joghurt: „Zehn Euro für das Festzeltbier sind ok, aber wenn ein Joghurt zwei Euro kostet, ist das ein Skandal.“ Aus Sicht des Milchbauern sind einer Mehrheit der Gesellschaft hier die Relationen verloren gegangen. Das macht die Situation für Landwirte doppelte schwierig. Sie erzielen mit ihren Produkten nur geringe Erträge und müssen sich noch dazu gegen öffentliche Kritik an ihrer Arbeitsweise behaupten. Dazu hat Udo Langenbacher eine klare Meinung: „Wer für 40 Cent einen Liter Milch im Supermarkt kauft, hat kein Recht mir und meinen Berufskollegen vorzuschreiben, wie wir unsere Tierhaltung organisieren.“ Er sagt, wer von den Landwirten im Sinne des Tierwohls mehr Aufwand erwartet, muss auch bereit sein, ihn besser zu bezahlen. Aber solange Lebensmittel hierzulande derartig preisgünstig sind, bleibt es einfach auf die Landwirtschaft zu schimpfen, glaubt der Landwirt, der im Grenzgebiet zur Schweiz lebt und arbeitet. Er kennt die Situation im Nachbarland: „Dort genießen Landwirte und ihre Produkte eine deutlich höhere Wertschätzung.“