Landwirte reden Klartext
  • „Ich bin der letzte Bauer im Dorf“ Stefan Leichenauer, Ackerbauer, Bullenmäster

     

Ganz im Süden Baden-Württembergs sind die Täler dünnbesiedelt und die Hänge steil. Landwirte wie Stefan Leichenauer wirtschaften dort unter besonderen Bedingungen. Die Landschaft fordert sie heraus und Berufskollegen aus der nahen Schweiz greifen die vorhandenen Flächen ab. Deshalb sollte die Politik genauer hinschauen, bevor sie Entscheidungen trifft, findet der Ackerbauer und Bullenmäster.

„Wertschätzung beginnt bei der Bezahlung“ Deutschlands Nachbarschaft sind stolz auf ihre Nahrungsmittel

 

Ganz in der Nähe seines Betriebs beginnt für Stefan Leichenauer so etwas wie eine andere Welt. Er bewirtschaftet einen Hof im südbadischen Tengen direkt an der Grenze zur Schweiz. „Dort drüben haben Landwirte einen viel höheren Stellenwert als bei uns in Deutschland“, sagt der Ackerbauer und Bullenmäster. Im Land der Eidgenossen schätzt man Lebensmittel aus heimischer Produktion. Und die Verbraucher sind auch bereit, angemessen für Qualität zu zahlen.


Die Berufskollegen im Nachbarland haben gute Einkommen und genießen ein hohes Ansehen in der Bevölkerung, weiß Stefan Leichenauer. „Hier bei uns wollen die Leute einfach nur günstige Lebensmittel, egal woher.“ Das heißt: Deutsche Landwirte verdienen in der Regel wenig. Und ihr Image ist nur mäßig. „Wertschätzung beginnt bei der Bezahlung“, sagt der Landwirt aus dem Südbadischen. So erleben es neben den Schweizer Kollegen auch die Landwirte im Nachbarland Frankreich. In beiden Ländern gilt Essen als Genuss – man nimmt sich Zeit dafür und gibt gutes Geld für gute Qualität aus.

In Deutschland dagegen erkennt Stefan Leichenauer eine zunehmende „Essen to go“-Mentalität. „Und wer sich schon keine Zeit nimmt, will für seine Nahrungsmittel auch nichts ausgeben“, fasst der Landwirt zusammen. Er betont, dass selbst zubereitete Gerichte nicht nur gesünder, sondern auch preisgünstiger als Fast- und Convenience-Food sind. Hier sieht er die Politik in der Pflicht, dem Thema Ernährung mehr Bedeutung zu verleihen. „Man muss den Menschen klar machen, dass sie mit Produkten vom Landwirt gesund bleiben können.“
   
Stefan Leichenauer ist selbstbewusst genug, um das für sich in Anspruch zu nehmen. Sein Leitspruch: „Ich mache alles – außer billig.“ Sein Geschäftsmodell: Regionale Vermarktung. Seine Botschaft: „Als Landwirt kann ich 160 Personen ernähren. Wer schafft das schon?“  Er sagt: „Ich bin der letzte Bauer bei uns im Dorf.“ Alle Einwohner weiß er geschlossen auf seiner Seite – weil alle sehen, wie er arbeitet. „Und wenn ich mal was falsch mache, kann ich es den Leuten erklären.“ In der Stadt dagegen werde die Landwirtschaft nur noch über die Medien wahrgenommen. „Und die Menschen suchen sich aus, was sie sehen wollen“, sagt er. „Im Internet kann man alles über uns erfahren, deshalb müssen wir die positiven Klicks auf unsere Seite holen.“ Gar nicht so einfach angesichts zunehmender Sensationslust. „Bilder von toten Tieren und Umweltverschmutzung sorgen immer für Aufmerksamkeit.“ Für ein besseres Image braucht die Landwirtschaft mehr positive Bilder und Berichte, meint Stefan Leichenauer. Sein Rat an die Berufskollegen: „Holt die Medien und auch die Verbraucher auf eure Höfe, zeigt was ihr macht, und dass es nichts zu verbergen gibt.“

„Kein Kontakt zur Basis“ Der Politik fehlt die Sachkenntnis

 

Mit Krankheiten hat Stefan Leichenauer kaum Probleme in seinem Stall. Dort mästet er Bullen und Rinder. Durchschnittlich 60 Tiere leben auf seinem Hof. Mit gesundem, wertvollem Futter und einem zugewandten Umgang sorgt der Landwirt dafür, dass es seinem Vieh gut geht. Dabei spielen auch alternative Behandlungsmethoden eine Rolle. „Wir geben den Tieren sogar homöopathische Mittel, wenn es sich anbietet“, sagt er. Bester Beweis für den gesunden Tierbestand auf dem Hof Leichenauer: Über zwei Jahre lang sind dort keine Antibiotika zum Einsatz gekommen. Eigentlich wäre das ein Anlass für allgemeine Zufriedenheit. Schließlich genießen gerade diese Präparate im Zusammenhang mit der Nutztierhaltung bei Verbrauchern keinen guten Ruf. Aber einfach mal auf Antibiotika zu verzichten, funktioniert in Deutschland offenbar nicht. Das zuständige Veterinäramt belehrte Stefan Leichenauer, dass er den Behörden eine sogenannte Nullmeldung machen muss. Für den Verwaltungsaufwand wurde ihm schließlich 1,50 Euro berechnet, erzählt er. Um das Geld geht es dem Landwirt nicht.


Er findet absurd, offiziell bekanntgeben zu müssen, dass er eigentlich nur alles richtig gemacht hat. „Das ist ein Beispiel dafür, wie uns Landwirten immer neue Knüppel zwischen die Beine geworfen werden“, so Stefan Leichenauer. Woran liegt es? „Entscheider in Politik und Verwaltung sind einfach zu weit weg von der Basis“, erklärt der Bullenmäster. Damit meint er, es fehlt die Nähe zu den Landwirten in den verschiedenen Regionen, um für sie sinnvolle Regeln und Lösungen machen zu können. Fakt ist: Agrar-Politik wird in Brüssel und Berlin gemacht. Stefan Leichenauer nennt das Politik von oben. „Und die Leidtragenden sind immer die Landwirte vor Ort.“ Beispiel Gülleverordnung. „Bei uns in der Region ist das Ausbringen mit bodennaher Technik brutal schwer umzusetzen“, sagt der Landwirt.

Denn: Der Großteil der Felder, den die Betriebe bewirtschaften, befindet sich in Hanglage. Das würde bedeuten, dass schwere Technik angeschafft werden müsste, um die Gülle auf die Felder zu bringen. „Die muss man erst mal finanzieren und was kommt dann als nächstes“, fragt Stefan Leichenauer. An die vorhandenen Fördertöpfe kommt nicht jeder ran. Aus seiner Sicht nimmt die Politik einfach in Kauf, „dass viele nicht mehr Güllefahren können“. Böse Absicht will er niemandem unterstellen. Aber genau so kann es eben kommen, wenn der Kontakt zur Basis fehlt. Der Bullenmäster und Ackerbauer versucht mit einem einfachen Rezept gegenzusteuern: Er lädt Abgeordnete und Amtsträger konsequent auf seinen Hof. „Es hilft nicht, am Tisch zu sitzen und nur zu  reden.“ Sie sollen hautnah erleben, wie der Arbeitsalltag der Betriebe aussieht. „Erst dann können sie verstehen, dass wir keine Einheitslösungen brauchen“, so der Landwirt. Ob es hilft? Stefan Leichenauer hat da so seine Erfahrungen. „Sie versprechen immer, unsere Anliegen mit nach Berlin zu nehmen.“ Und dann? „Von oben kommt nichts.“

„Immer ist einer auch alle“ Tierwohl funktioniert auch ohne Wachstum

 

Wenn mal wieder diese Bilder auftauchen. Von geschundenen Tieren. Aufgenommen von Tierschutz-Aktivisten bei Stalleinbrüchen. Gezeigt von den großen Fernsehstationen. Wahrgenommen in Millionen Haushalten. Zur besten Sendezeit. „Dann nehme ich das schon persönlich“, sagt Stefan Leichenauer. Auch er gehört zu denen, die der mediale Angriff treffen soll. Früher als Milchviehhalter, heute als Bullenmäster. Das Problem sei, dass schlimme Aufnahmen von den Zuständen einzelner Betriebe mit den vielen anderen Höfen in Verbindung gebracht werden, bei denen alles in Ordnung ist.


Und die sind in der Mehrheit, betont der Landwirtschaftsmeister aus dem Südbadischen. Er sagt: „Aber immer ist einer auch alle.“ Deshalb erzielen diese Bilder auch ihre gewünschte Wirkung. In der nicht enden wollenden Tierwohldebatte stehen Stefan Leichenauer und Kollegen dann kurzzeitig mit am Pranger. Sie sollen entweder aufgeben, oder aber ihr Vieh artgerecht halten. „Artgerechte Haltung ist, wenn der Landwirt seine Tiere kennt und darauf achtet, dass es ihnen gut geht“, erklärt der Bullenmäster. In seinem Stall stehen in der Regel zwischen 60 und 70 Rinder. „Wenn sie als Kälber zu uns kommen, leben sie etwa ein Jahr lang in Laufställen.“ Die letzten Monate bis zur Schlachtung verbringen sie in Anbindehaltung.

So arbeiten zahlreiche Betriebe im süddeutschen Raum. Aber Tierwohl ist für Stefan Leichenauer keine Frage der Haltungsform. Gefragt sei vor allem ein gutes Stall-Management. „Wir haben engen Kontakt zu unseren Rindern und versorgen sie mit gesundem Futter.“ Der Landwirt ist sicher: Es geht seinen Tieren gut. Seine Bullen reagieren nicht nervös auf Fremde, zeigen keine Angst und wirken entspannt. „Diese Ruhe im Stall zeigt mir, dass mit ihnen alles in Ordnung ist.“ Zugegeben: Sein Stall ist in die Jahre gekommen – aber ein Neubau funktioniert ohne öffentliche Förderung nicht. „Das wäre ein finanzieller Kraftakt, den ich mir nicht antun will.“ Groß und modern für 180 Tiere zu bauen, wäre machbar gewesen, die Förderung kein Problem. „Aber ein Stallneubau in meiner Größenordnung ist betriebswirtschaftlich nicht rentabel“, sagt Stefan Leichenauer. Lässt sich mehr Komfort für das Mastvieh nur durch Wachstum realisieren? Der Bullenmäster arbeitet am Gegenteil. Er hat bereits damit begonnen, Abschnitte seines Stalles sukzessive in Lauf- und Liegeflächen für seine Rinder umzubauen. In vier oder fünf Jahren will er fertig sein. Aber dann wird er nur noch Platz für maximal 50 Tiere haben.