Landwirte reden Klartext

Der Milchhof von Jan und Kerstin Blumhardt ist ein klassischer Familienbetrieb. Alle packen mit an, jeder hat seinen festen Aufgabenbereich. Nur so lässt sich das enorme Pensum des landwirtschaftlichen Betriebs bewältigen, bei dem sich letzten Endes fast alles um das Wohl der Milchkuhherde dreht.

Ohne Leidenschaft klappt es nicht Landwirtschaft bedeutet vor allem viel Arbeit

 

Wachstum? Ein größerer Stall für mehr Kühe? „Damit wären wir auf dem Weg, ein Arbeitgeber zu werden“, erklärt Kerstin Blumhardt. Denn Expansion sorgt immer für zusätzliche Verpflichtungen. Aber auf dem Milchhof im schwäbischen Remseck sind alle Arbeitskräfte schon jetzt ausgelastet. Es gibt Tage, die sind einfach zu kurz für die Masse der Aufgaben, sagt die Landwirtsfrau. Ihr Hof ist ein klassischer Familienbetrieb. Den Ackerbau erledigt ihr Mann, ebenso die Arbeiten an der Biogasanlage. Sie selbst managt den Stall und betreut die Kuhherde. Beim Melken hilft die Schwiegermutter. Und bei Bedarf springt eine Aushilfskraft ein. „Unseren Job muss man wirklich gern und mit Leidenschaft machen“, so Kerstin Blumhardt. „Sonst klappt es nicht.“ Zur Familie gehören auch schulpflichtige Kinder, die Aufmerksamkeit brauchen. „Meine Doppelrolle als Mutter und Landwirtin ist ein echter Spagat.“ Die Großmutter hilft, dass die Kinder nicht zu kurz kommen. Hier zeigt sich die ganze Dimension des Begriffs landwirtschaftlicher Familienbetrieb. Jeder muss mit anpacken. Das Pensum ist enorm. Wetter und Tiere bestimmen die Arbeitszeiten. Außenstehende haben davon kaum eine Vorstellung, findet Kerstin Blumhardt. „Wer unseren Hof besucht, freut sich immer zuerst über die tolle Wohnlage.“

So ruhig, mitten in der Natur, mit all den Tieren. Dann erklärt sie: „Wir wohnen nicht nur hier, wir arbeiten hier auch und zwar jeden Tag.“ Die Landwirtin erlebt eine Öffentlichkeit, die den Faktor Arbeit überwiegend ausblendet. „Das Land wird als Ort für Erholung und Freizeitzwecke wahrgenommen.“ Was die Bauern dort tun, scheint nicht bekannt – oder stößt sogar auf Unverständnis. „Wenn ich sonntags mit dem Auto auf den Feldwegen fahre, um meinem Mann etwas zu essen zu bringen, schauen mich Spaziergänger komisch an.“ Das macht Kerstin Blumhardt deutlich, wie sehr sich Gesellschaft und die Landwirtschaft voneinander entfernt haben. So hat sie schon erlebt, dass Besucher ihre Tierhaltung bestaunen, die so ganz anders ist, als im Fernsehen gezeigt wird. „Ihnen erkläre ich, dass wir nicht die Ausnahme sind und ich auch keinen Betrieb kenne, der schlecht mit seinen Tieren umgeht.“ Kerstin Blumhardt hat die Landwirtschaft selbst als Quereinsteigerin kennengelernt. Auch deshalb weiß sie: „Es sind nicht die Landwirte selbst, die das öffentliche Bild ihres Berufstands prägen.“ Das erledigen andere. Deshalb ist ihr wichtig, dass wieder mehr Leute erleben, wie wirklich auf den Höfen gearbeitet wird. „Danach können sie selbst entscheiden, ob sie uns gut oder schlecht finden.“

"Horror im Stall: Schlafende Kühe" Mit authentischen Bildern gegen Tierausbeuter-Vorwürfe

 

Hingestreckt auf dem Boden, den Hals seltsam verrenkt. Aus dem halboffenen Maul läuft der Sabber. Ein Auge starrt durch ein nicht ganz geschlossenes Lid ins Leere. Dauernd zuckt das Gesicht. „Ich war ganz erschrocken, als ich eine unserer Kühe so in ihrer Box liegen sah“, erinnert sich Kerstin Blumhardt. Ihre Sorge war unnötig – das Tier hatte nur geschlafen. „Wenn sie ganz tief schlummern, können Kühe unmöglich aussehen“, erzählt die Landwirtin. Sie weiß auch: Wenn es dumm läuft, kann das Bild einer schlafenden Milchkuh einem Viehhalter richtig Probleme machen. Denn neben den heimlichen Aufnahmen real vernachlässigter Kreaturen in schlecht geführten Ställen passen auch solche Zufalls-Motive genau ins Beuteschema von Tierschutzaktivisten, die mit entsprechenden Aufnahmen für öffentliche Empörung sorgen wollen. Dazu sagt Kerstin Blumhardt: „In jedem Stall kann man Negativ-Bilder machen, wenn man es darauf anlegt.“ Sie ist überzeugt davon, dass viele Darstellungen vermeintlich leidender Tiere kursieren, die gezielt aus dem Zusammenhang gerissen wurden, um ihre gewünschte Wirkung zu erzielen. „Auch das gehört zur Strategie dieser Leute, die nur das Ziel haben, uns Viehhaltern maximal zu schaden.“ Sie setzen dabei auf mangelnde Sachkenntnis vieler Menschen, die vor allem emotional reagieren. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir unsere Ställe öffnen, und den Leuten zeigen wie es dort zugeht“, betont Kerstin Blumhardt.

Denn mit den Bildern von echten und scheinbaren Missständen starten die emotionalen Debatten um Haltungsbedingungen und Tierausbeutung – und eine ganze Branche wird pauschal angefeindet. Die Landwirtin beklagt, dass in diesem Zusammenhang eines nie erwähnt wird: Tiere werden auch mal krank, verletzen sich und sterben. „Das ist ganz natürlich und geschieht auch bei perfekter Haltung.“ Doch es sind die Aufnahmen von solchen Tieren, die an die Öffentlichkeit geraten. „Wie wir sie dann versorgen und pflegen, zeigt keiner“, so Kerstin Blumhardt. Ein Ende der Negativ-Berichte, der nächtlichen Stalleinbrüche und der Anschuldigungen gegen Viehhalter erwartet sie nicht. Im Gegenteil: Es wird weitergehen, solange die Tierschutzszene damit Erfolg hat. „Uns bleibt nur, mit authentischen Bildern aus unserem Alltag dagegenzuhalten.“ Eine tiergerechte Haltung hat für die Landwirtin aus dem Großraum Stuttgart vor allem damit zu tun, wie ein Betrieb aufgestellt ist. „Wenn Ställe ausreichend Platz bieten und genug Arbeitskraft vorhanden ist, können problemlos auch große Herden gehalten werden.“ Entscheidend ist, dass die Tiere niemals vernachlässigt werden. „Wenn ich 200 Kühe haben will und bin der Arbeit aber nicht gewachsen, dann geht es garantiert schief.“

„Ich bin die Tierfrau“ Wer Kühe vernünftig hält, weiß wie sie ticken

 

„Der erste Weg führt immer in den Stall.“ Kerstin Blumhardt will sicher sein, dass es ihren Kühen gut geht. Immer. Manchmal kommt es vor, dass sie zwei Tage nicht auf dem Hof ist. Jedes Mal nach der Rückkehr überzeugt sie sich dann sofort, ob bei den Tieren alles ok ist. Das ist ihr wichtig – schließlich trägt sie Verantwortung für die Herde. „Außerdem mag ich die Viecher einfach gern.“ Seit 2006 arbeitet sie auf dem Milchhof mit den Kühen zusammen. Sie macht die Stallarbeit, kümmert sich um die Kälberaufzucht, übernimmt das Besamen. „Heute bin ich hier die Tierfrau“, sagt die Landwirtin. Das war nicht immer so. Als Quereinsteigerin hat sie sich den richtigen Umgang mit den Milchkühen erst erarbeiten müssen – durch die tägliche Praxis und vor allem durch viel Beobachten. „Nur wenn man sieht, wie sie sich verhalten, versteht man auch, wie sie ticken“, sagt Kerstin Blumhardt. Heute bemerkt sie sofort, wenn etwas nicht stimmt. Sie weiß: Wenn sie sich wie erwartet verhalten, ist alles ok. „Ich habe jede einzelne Kuh im Kopf, kenne ihre Gewohnheiten und Milchleistung und weiß, wann sie gekalbt hat.“

Sieht sie ein Tier nicht beim Futter oder ändert sich die Milchmenge, steht es bei ihr sofort unter besonderer Beobachtung. „Ich muss dann direkt schauen, was nicht stimmt, um schnell helfen zu können.“ Rasches Eingreifen kann auf dem Milchhof Blumhardt auch den Einsatz von Antibiotika bedeuten. Die Landwirtin weiß um die Kritik am Gebrauch dieser Medikamente in der Milchviehhaltung. Aber ihre Kühe haben immer Priorität. Eine schwere Euterentzündung bekämpft sie konsequent mit Antibiotika. „Ansonsten kann eine Kuh daran auch mal sterben, wenn es schlecht läuft.“ Insofern betrachtet sie die Medikamentengabe auch als angewandten Tierschutz. Beim Besamen der Kühe setzt Kerstin Blumhardt auf Erfahrung und Augenmaß. „Nach der Geburt braucht eine Mutterkuh ausreichend Zeit für die Rückbildung“, sagt die Fachfrau. Mindestens 70 Tage wartet sie ab, bevor sie die nächste Befruchtung in Betracht zieht. Kerstin Blumhardt hat ihre Tiere ständig im Blick. Wenn eine Kuh sich von ihren Artgenossinnen bespringen lässt, ist das für sie ein deutliches Signal. Dann könnte es soweit sein. Aber dafür muss alles stimmen. „Ich schaue mir dann an, wie sie in Form ist“, so die Landwirtin. Kommt das Tier ihr noch irgendwie schwach vor, wird weiter gewartet. Tierwohl wird groß geschrieben auf dem Milchhof Blumhardt. Um jeden Preis eine Milchkuh zu besamen, gehört nicht dazu.