Landwirte reden Klartext
  • „Was teilweise auf Social Media abgeht, ist für mich einfach krank“ Michael Reber, Ackerbauer, Biogas-Erzeuger

     

Sind Landwirte die Prügelknaben der Nation? Für Michael Reber fühlt es sich immer wieder so an. Denn zu oft muss sich die Branche für vermeintliche Verfehlungen rechtfertigen. Durch die Dauer-Kritik sieht der Ackerbauer sogar den Fortbestand zahlreicher Betriebe bedroht. Sein Rat an die Berufskollegen: „Betreibt Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache.“

„Ich habe es satt…“ Mit Transparenz gegen das Sündenbock-Image der Landwirte

 

Landwirt Michael Reber weiß, wie sich Tiefschläge anfühlen. Ein Krankheitseinbruch im Jahr 2006 brachte den damaligen Schweinehalter an den Rand des Ruins. Nur die konsequente Neuausrichtung sicherte den Fortbestand seines Betriebs. Heute dreht sich auf seinem Hof nahe Schwäbisch Hall alles um eine Biogas-Anlage. Die Schweinställe stehen leer. Das Lebenswerk seiner Eltern ist Geschichte. Geblieben sind Altlasten. Doch Michael Reber schaut nach vorn. Er sagt, mittlerweile gibt es nur noch wenige Dinge, die ihn richtig wütend machen. Und dazu gehört, wenn auf die Landwirtschaft mit Argumenten eingedroschen wird, die nicht stimmen. Dazu gehören aber auch Berufskollegen, „die meinen nichts verändern zu müssen, weil alles gut so ist, wie es ist“. Dabei gibt es einiges zu tun.


„Wir brauchen wieder einen vernünftigen Dialog zwischen der Landwirtschaft und der Gesellschaft.“ Das Ziel müsse sein, die Branche aus ihrer permanenten Defensiv-Haltung zu befreien. „Ständig sind wir genötigt, unser Handeln vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen“, sagt Michael Reber. „Die Rolle des Sündenbocks habe ich einfach satt.“ Er ist es leid, immer nur Schuld zu tragen – am Insektensterben, am Leid von Tieren, am Klimawandel, an Lebensmittelskandalen. „Es ist an der Zeit, dass die Landwirtschaft wieder positiv wahrgenommen wird.“

Wie kann das klappen? Michael Reber setzt darauf, gezielt den direkten Kontakt zu den Verbrauchern sowie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu suchen. Die Leute sollen wissen, was und vor allem wie Landwirte arbeiten. Der Ackerbauer hält nichts davon, eine heile Welt mit glücklichen Kühen, blühenden Feldern und stolzen Bauern zu präsentieren. Ihm geht es um ein authentisches Bild der Landarbeit – nach aktuellem Stand der Technik und gemäß geltender gesetzlicher Vorgaben. „Wir haben es in der Vergangenheit versäumt, die Verbraucher mitzunehmen und ihnen unsere Arbeit zu erklären“, gibt sich Michael Reber selbstkritisch. Seinen Betrieb sieht er dabei stellvertretend als Beispiel für viele andere. „Wir haben vor Jahren das Dorf verlassen und am Ortsrand neu gebaut“, sagt er.

So ging Nähe zu den Menschen verloren. „Als Schweinehalter mussten wir außerdem unseren Hof aus Hygiene-Gründen einzäunen, aber das haben wir niemandem erklärt.“ Zur Distanz gesellte sich Skepsis. „Man dachte, wir haben was zu verbergen und schotten uns ab.“ So schnell kann aus dem Bauern von nebenan ein potenziell Verdächtiger werden. Dagegen hilft nur Transparenz durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit, findet Michael Reber. „Jeder soll das machen, was ihm liegt“, betont er. Social Media, Pressearbeit, Betriebsführungen, Hofläden. Die besten Erfahrungen hat der Ackerbauer mit Hofführungen gemacht. Sein Ansatz: Landwirtschaft wirklich zu erleben, bedeutet sehen, riechen, schmecken. „Wer mit eigenen Augen sieht, wie der Alltag auf einem Hof aussieht, kann auch Skandalmeldungen in den Medien besser einordnen.“ Michael Reber macht sich keine Illusionen: Die Systemdiskussionen und die Angriffe von Lobbygruppen werden nicht aufhören. „Aber wir alle können den Menschen in unseren Regionen zeigen, dass Medienberichte und Kampagnen nicht pauschal die Realität abbilden.“ Authentisch sind nur die Landwirte vor Ort und jeder einzelne kann etwas gegen die Wut der Bauern und für weniger Tiefschläge gegen die ganze Branche tun.

 

„Nicht zum Nulltarif“ Wer zahlt für mehr Tierwohl?

 

Es ist nicht lange her, da war Michael Reber noch Schweinehalter. Sein Geld verdiente er mit Mast und Herdbuchzucht. Dann kam das Virus. Über die Hälfte seines Bestands verendete an der PRRS-Krankheit. „Das will man als Tierhalter nicht erleben, das war ein wirtschaftlich aber auch emotional tiefer Einschnitt für mich.“ Kunden und viel Geld gingen verloren. Um seinen Betrieb zu retten, entschied der Landwirt die Schweinemast aufzugeben. Die letzten Tiere verließen 2016 seinen Hof. Die Diskussion rund um das Thema Tierwohl ist ihm noch bestens vertraut. Rückblickend sagt Michael Reber: „Auch in meinen Ställen hätten wahrscheinlich schlechte Bilder gedreht werden können, wenn es jemand darauf angelegt hätte.“

Gemeint sind Bilder – von Tierschutzorganisationen illegal aufgenommen – die dann gezielt den Medien zugespielt werden, um für einen öffentlich Aufschrei zu sorgen. Dass Sender und Zeitungen mit solchen Aufnahmen agieren, findet der Landwirt unseriös. „Warum gehen sie nicht selbst auf die Betriebe zu und lassen sich zeigen, was in den Ställen los ist?“ Zur grundsätzlichen Medien-Schelte will er aber nicht ausholen. Denn er hält diese Art initiierter Berichterstattung für die Folge von vernachlässigter Öffentlichkeitsarbeit seitens der Landwirtschaft. Da sei in den vergangenen 30 Jahren fast nichts passiert. „Wir können die wiederkehrenden Argumente solcher Tierschutz-Kampagnen nur entkräften, wenn wir unsere Ställe für die Öffentlichkeit öffnen.“ Hier vertraut Michael Reber auf das Urteilsvermögen sowohl der Medien und auch der mündigen Bürger. Motto: Wer die Realität auf den Höfen kennt, weiß Skandal-Nachrichten besser einzuordnen.


Gleichzeitig sagt er: „Unsere Verantwortung für die Tiere endet nicht an der Stalltür. Wir müssen besser im Blick haben, wie es mit ihnen weitergeht, bis sie schließlich geschlachtet werden.“ Und dieser moralischen Haltung fühlen sich Tierhalter zunehmend verpflichtet, betont der ehemalige Schweinehalter. Er erklärt aber auch: „Wer heute mehr Tierwohl verlangt, bekommt das nicht zum Nulltarif.“ Fleisch, Michprodukte und Eier kann es dann nicht mehr zum gewohnten Preis geben. Es müsse einfach klar sein, dass die Bauern allein die Kosten für etwaige neue Auflagen zum Wohl der Tiere nicht schultern mehr können. „Das Ende der Fahnenstange ist für uns erreicht.“

Für den Landwirt sieht die Rechnung so aus: Eine tierfreundlichere Haltung lässt sich nur realisieren, wenn die Gesellschaft bereit ist, dafür zu zahlen – entweder über höhere Lebensmittelpreise oder mit ihrem Steuergeld. Anderenfalls wird sich der Strukturwandel der Landwirtschaft aus seiner Sicht weiter beschleunigen: „Große Betriebe werden zusätzliche Anforderungen und Kosten irgendwie schultern, während die kleineren nach und nach kapitulieren und aussteigen.“ Und damit wäre das Gegenteil von dem erreicht, was gesellschaftlich gewünscht ist. „Statt die kleineren bäuerlichen Familienbetriebe zu erhalten, würden wir eine zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft erleben.“

„Bio-Hype – Nein danke!“ Lagerdenken hilft Landwirten nicht weiter

 

Konventionell oder Bio? Die Öffentlichkeit nimmt die Landarbeit ganz augenscheinlich in zwei Kategorien wahr. Es wird unterschieden in Gut und Böse, in Saubermänner und Naturausbeuter. „Gefühlt wird die Bio-Landwirtschaft tendenziell positiv erlebt, während die konventionell wirtschaftenden Betriebe vergleichsweise schlecht wegkommen.“ So erlebt Michael Reber das offensichtliche Schwarz-Weiß-Denken über seine Branche. Er sagt: „Aber am Ende sind wir alle nur Bauern, die ihre Höfe bestmöglich bewirtschaften wollen.“

Tatsächlich sei das Abgrenzen beider Landwirtschaftszweige vor allem ein Thema auf der Verbraucher- und Verbandsebene. Seitens der Bio-Verbände gebe es immer wieder Versuche, sich auf Kosten des Bauernverbands und der konventionellen Landwirtschaft zu profilieren. Unter den Kollegen spielt dies aus Sicht des Ackerbauern fast keine Rolle. Er selbst sieht sich ziemlich genau in der Mitte der beiden Lager. Ihm geht es nicht um Ideologie, sondern um seinen Hof. „Auf beiden Seiten suche ich nach den besten Methoden, um die optimale Lösung für meinen Betrieb zu finden.“ Und überhaupt: Michael Reber nervt die ewige Schwarz-Weiß-Denkerei. „Das hilft doch niemandem weiter.“  


Er selbst hat einen neuen, innovativen Weg eingeschlagen, der ihm helfen soll, seinen Betriebszweig Ackerbau so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Im Kern geht es darum, die natürliche Fruchtbarkeit seiner Böden wieder aufzubauen und dadurch unabhängiger von Mineraldünger und chemischen Pflanzenschutzmitteln zu werden. „Diese Kosten kann ich in Zukunft einsparen.“ In zwei bis drei Jahren will der Ackerbauer soweit sein. Seine Methode: Eine Kombination aus ganz altem und ganz modernem Wissen. „Wir kümmern uns seit Jahrzehnten nur noch um die Düngung“, so der Landwirt. „Dabei haben wir verlernt unsere Böden so zu behandeln, dass sich die Pflanzen direkt aus ihnen ernähren können.“ In diesem Sinne lässt er auf seinen Äckern unter anderem das ganze Jahr über grüne Pflanzen wachsen – auch im Winter. 

Sein innovatives System hat Michael Reber zusammen mit konventionellen und Bio-Kollegen bei einem Bodenkurs gelernt. Es folgt der Idee, dass Mineraldünger für die Pflanzen eine Art Zwangsernährung ist, die sie stresst und krank machen kann. Die Konsequenz: „Man muss wieder Pflanzenschutzmittel einsetzen, um der Pflanze zu helfen.“ Diesen Kreislauf will Michael Reber durchbrechen. Und es ist ihm egal, ob das Bio oder was auch immer ist. „Ich will kein Gutmensch sein, sondern wirtschaftlich überleben“, sagt er. „Denn zur Nachhaltigkeit gehört neben dem ökologischen auch der ökonomische Aspekt.“ Das sehen viele Berufskollegen genauso und laden den Landwirt als Redner ein. Ihm schmeichelt, dass andere wissen wollen, wie er Ackerbau betreibt. Und es zeigt ihm: In Zeiten steigender bürokratischer Anforderungen wie der jüngsten Düngeverordnung sind Landwirte auf der Suche nach guten Lösungen – und zwar unabhängig davon, ob sie dem Bio- und konventionellen Lager angehören.