Landwirte reden Klartext
  • „Wir müssen mehr Wertigkeit zurück auf unsere Höfe holen“ Christoph Fecher, Landwirt, Unternehmer

     

Produktionskosten senken, aber mindestens im Griff behalten. Diesem Mantra folgen große Teile der landwirtschaftlichen Betriebe – auch weil es ihnen die vor- und nachgelagerte Industrie so einflüstert. Landwirt Christoph Fecher denkt anders. Er hat seinen „Marienhof“ auf ein breites Fundament gestellt und setzt auf eigene Margen und Wertschöpfung. 

„Billig einkaufen aber motzen“ Kritik ist erlaubt, wenn sie sachlich bleibt

 

Wie entstehen eine Tonne Getreide oder ein Liter Milch? Und wie verdienen Ackerbauern und Viehhalter eigentlich ihr Geld? Von landwirtschaftlichen Produktionszyklen und Vertriebswegen wissen die meisten Verbraucher eigentlich nichts. Das findet jedenfalls Christoph Fecher. Im unterfränkischen Niedernberg bewirtschaftet er einen Hof mit kleiner Viehhaltung, Ackerbau, Biogasanlage und mit eigenem Hofladen.  Den Laden nennt er ein wichtiges Standbein seines Betriebs. „Denn er steht unmittelbar für die Qualität der Produkte, die wir erzeugen und direkt vermarkten.“


Der Hofverkauf trägt mit seinen Erträgen zur wirtschaftlichen Stabilität des „Marienhofs“ bei. Er dient Christoph Fecher aber auch dazu, mit Kunden in Kontakt zu kommen. Er sagt: „Wir brauchen das direkte Gespräch mit den Verbrauchern, um ihnen zu erklären, wie wir arbeiten.“ Für den Landwirt aus dem Norden Bayerns hat sich die öffentliche Wahrnehmung der Landarbeit zu einem großen Missverständnis entwickelt. Medienberichte über Lebensmittelskandale und Angriffe von Tierschützern via Facebook und Co. lassen die Branche heute als bösen Buben der Ernährungswirtschaft dastehen. „All diese Vorhaltungen haben aber nur das Ziel, starke Emotionen für den Moment zu erzeugen“, so Christoph Fecher. Ihn stört, dass es immer wieder Einzelfälle sind, für die sich die Landwirte kollektiv an den Pranger stellen lassen müssen. Dass Medien oder bestimmte Interessengruppen gewisse Dinge im Bereich der Landwirtschaft kritisch sehen, hält er für grundsätzlich ok. Aber er findet schlimm, dass einfach keine sachliche Diskussion stattfindet.

„Wir sind willkommene Prügelknaben und bekommen die ganze Schelte ab.“ Für ihn ist es an der Zeit, dass die tatsächlichen Verhältnisse in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. „Erst wenn die Leute wieder ein Verständnis dafür haben, wie und unter welchen Umständen wir produzieren und wirtschaften müssen, wird auch die dauernde Kritik wieder nachlassen.“ Gleichzeitig erinnert der Landwirt daran, dass sich die Gesellschaft über Jahrzehnte kaum dafür interessiert hat, wie Lebensmittel produziert werden. Er spricht von einem stillen Einklang zwischen Bevölkerung und den Landwirten – mit dem es erst in Zeiten von Wohlstand, Massenkonsum und digitalen Medien vorbei ist. „Wir leben heute, im Überfluss und haben die Wertschätzung für Lebensmittel verloren“, sagt Christoph Fecher. „Die Leute können billig einkaufen und motzen trotzdem.“

Und welchen Beitrag die Landwirtschaft zum Wohlstand unserer Gesellschaft leiste, sei ebenfalls kaum jemandem bewusst. „Es wird als selbstverständlich hingenommen, preiswert einzukaufen und dass die Regale im Discounter immer voll sind.“ Aber das funktioniert eben nur, weil auf Äckern, Plantagen und in den Ställen ausreichend und qualitativ hochwertig produziert wird. In diesem Sinne empfindet der Hofbesitzer aus Unterfranken es als unerhört, wie medial über seine Berufskollegen hergefallen wird. Kurz:  „Wer ernsthaft darüber diskutieren will, auf welche Weise Lebensmittel erzeugt werden sollen, muss das System verstehen, in dem wir Landwirte arbeiten“, sagt Christoph Fecher.

„Immer nur Kosten drücken“ Landwirte brauchen eigene Wertschöpfung

Landwirte sind Unternehmer, die unter vergleichsweise sehr speziellen Bedingungen wirtschaften.  Christoph Fecher, Ackerbauer und Schweinehalter, beschreibt das so: „Auf der Kostenseite erleben wir ein Preisdiktat und auf der Einnahmenseite befinden wir uns dauerhaft im Glücksspielmodus.“ Übersetzt heißt das: Die Industrie und der Landhandel steuern gezielt den Bedarf und die Preise externer Produktionsmittel wie Mineraldünger oder Pflanzenschutz. Und beim Verkauf ihrer Erzeugnisse sind die Landwirte abhängig davon, was die Märkte zahlen. „Wenn ich eine Tonne Getreide verkaufe, bekomme ich dafür den aktuellen Börsenpreis und keinen Cent mehr“, erklärt Christoph Fecher.


Die Konsequenz: Landwirte versuchen stets so kostengünstig wie möglich zu produzieren, um das Risiko eines Preisverfalls abfedern zu können. „Fatalerweise ist die Kostenseite aber mittlerweile derart komprimiert, dass es kaum möglich ist optimalen Ackerbau zu generieren und Getreide zu einem wertigen Preis zu verkaufen“, sagt der Landwirt. Viele Berufskollegen kennen das – sie produzieren so sparsam wie es nur geht, um am Ende doch nur die Kostendeckung oder höchstens kleine Gewinne zu erzielen. „Das ist nur unter hohem unternehmerischen Druck auszuhalten“, so Christoph Fecher. Ohne die Subventionen der Europäischen Union,  sähe es für viele bitter aus. Das ist aber nur eine Seite der Wahrheit. Denn der Ackerbauer sagt: „Die EU-Prämien machen uns wirtschaftsblind.“

Er glaubt daran, dass es Auswege aus dem System gibt. Eine Möglichkeit wären mehr Solidarität und Verbindlichkeit unter den Landwirten. Sie müssten sich einig sein, wie teuer sie ihre Erzeugnisse anbieten wollen. Notfalls sollten sie so mutig und stolz sein, ihre Waren so lange zurückzuhalten, bis sie die gewünschten Preise erzielen können. Dass es dazu kommt, bezweifelt Christoph Fecher. Als Unternehmer setzt er auf Innovationen: „Wir sollten flexibler werden, unsere Produkte selbst veredeln und so mehr Wertigkeit zurück auf unsere Höfe holen.“ Was er darunter versteht, macht er selbst vor. Unter dem Dach seines Marienhofs vereinigt er gleich vier Einzelunternehmen, die sich gegenseitig stützen und ergänzen. Mit einer 400-kW-Biogasanlage erzielt er konstant verlässliche Einnahmen.

Als Ackerbauer verkauft er seine Erzeugnisse klassisch an die Genossenschaften und produziert gleichzeitig die nötige Biomasse für seine Stromerzeugung. Das macht ihn unabhängiger von den Märkten. In seinen Hofgebäuden bietet er erfolgreich Eventgastronomie an und vermarktet Erzeugnisse aus Ackerbau und Viehhaltung. Eine weitere Gesellschaft übernimmt unter anderem Transporte für den Ackerbau und bietet externe Dienstleistungen an. „Beispielsweise holen wir Bruchholz aus dem Forst ab, das wir aufbereiten und mit der Abwärme der Biogasanlage zu Brennholz veredeln und regional verkaufen. Die vier Standbeine machen den Marienhof wirtschaftlich stabil und ermöglichen es, einen Preisverfall abzufedern. „Ich muss mein Getreide nicht zwingend an den Markt abgeben, wenn der Preis nicht stimmt“, sagt der Landwirt. Notfalls kann er auch Strom daraus machen. Klar ist aber - nicht jeder hat die Chance, seinen Betrieb ähnlich aufzustellen. Strukturänderungen bieten sich an, wenn: Hofnachfolger starten, Investitionen abgeschlossen sind, wenn die Umstände passen. Aber Christoph Fecher bleibt dabei: „Landwirte müssen stärker an Vermarktung und neue Produkte denken, um wirklich profitabel zu wirtschaften.“     

„Der Preis muss stimmen“ Mehr Tierwohl kann funktionieren

 

Ein Saubermann der Branche will Christoph Fecher nicht sein – auch kein Vorbild. In den Ställen seines Betriebs hat er vor Jahren noch bis zu 600 Schweine gehalten. Ein klassischer Mastbetrieb eben, der den Standards seiner Zeit entsprach. Idylle? Fehlanzeige! Aber die wird Konsumenten an den Fleischertheken und auf den Wurstverpackungen vorgegaukelt. „Die Verbraucher sind natürlich enttäuscht, wenn sie die Realität erleben“, sagt der Tierhalter. Seine Realität sieht heute so aus: Die großen Ställe stehen weitgehend leer. Auf dem Hof leben nur noch knapp zwei Dutzend Duroc-Schweine. Auf Strohunterlage bewegen sie sich frei im Stall und in dem angeschlossenen Auslauf. Vielleicht ist das schon artgerecht. Sicher ist, dass Nutztiere heute auf dem Marienhof deutlich komfortabler leben als früher. Christoph Fecher nennt das eine qualitative Tierhaltung. „Und wir können damit ein Einkommen erzielen“, sagt er.


Angesichts anhaltender öffentlicher Kritik an Tierhaltern zeigt das seiner Meinung nach, dass alternative Haltungsformen möglich sind.  Allerdings ist die Vermarktung seiner Duroc-Schweine ein echtes Nischen-Geschäft. „Infrastruktur und Vermarktungsstruktur müssen wirklich miteinander harmonieren, um ein vernünftiges Betriebsergebnis zu erreichen.“ Das Fleisch seiner Tiere verkauft Christoph Fecher direkt ab Hof. Dafür verlangt und bekommt er Preise, weit über dem Discounter-Niveau. „Im Kleinen funktioniert das sehr gut“, erklärt er.  „Wir haben den Wert und die Qualität von einem Stück Fleisch auf das nächsthöhere Niveau gehoben und wir haben einen Kundenstamm, der das zu schätzen weiß.“

Wirtschaftlich ist sein Betrieb nicht mehr vom Ertrag der Schweinehaltung abhängig – eine komfortable Situation gegenüber klassisch wirtschaftenden Berufskollegen. „Die stecken in einem System, das sie unter hohen Leistungsdruck setzt.“ Für mehr Tierwohl, wie die Gesellschaft es wünscht, fehlen schlicht die Mittel. Christoph Fecher drückt das so aus: „Der Verkaufspreis bildet das nicht ab.“ Kurios: Bezug zu ihren Fleischprodukten haben Verbraucher überwiegend im Discounthandel. Dort sind die Preise niedrig und die Qualitätsversprechen hoch.  „Die Leute wollen jederzeit super günstiges Fleisch in großen Mengen und verlangen gleichzeitig, dass es den Tieren besser gehen soll“, so Landwirt. Seine Antwort: „Das funktioniert nur, wenn sie bereit sind, mehr Geld dafür auszugeben, das dann auch beim Landwirt ankommt.“